Gudrun Krämer erhält den Preis des Historischen Kollegs 2025

Gudrun Krämer erhält den
Preis des Historischen Kollegs 2025

Mit dem Preis des Historischen Kollegs wird in diesem Jahr Gudrun Krämer ausgezeichnet. Sie war bis 2019 Leiterin des Instituts für Islamwissenschaft an der Freien Universität Berlin (FU) und zugleich Direktorin der „Berlin Graduate School Muslim Cultures and Societies“. Sie erhält die Auszeichnung vornehmlich für ihr Buch „Der Architekt des Islamismus. Hasan al-Banna und die Muslimbrüder. Eine Biographie“ (Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung, Verlag C.H.Beck, München 2022, 528 S.). Der zum 15. Mal verliehene Preis ist mit 30.000 Euro dotiert und hat sich als deutscher Historikerpreis etabliert. Das Preisgeld stellt heuer der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zur Verfügung.

Gudrun Krämer, 1953 in Marburg geboren, studierte in Heidelberg, Bonn und Sussex Geschichte, Islam- und Politikwissenschaft sowie Anglistik. Nach der Promotion (1981) war sie über ein Jahrzehnt lang Referentin der Stiftung Wissenschaft und Politik und wurde nach der Habilitation in Hamburg (1994) zunächst nach Bonn und 1996 an die Freie Universität Berlin berufen. Sie ist Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. 2010 wurde Frau Krämer bereits mit dem Gerda Henkel Preis ausgezeichnet. 2024 wurde sie zu einer Thyssen Lecture am Deutschen Historischen Institut London eingeladen. Aus ihrem enorm breiten Oeuvre seien pars pro toto ihre in sechster Auflage vorliegende „Geschichte Palästinas“ (2015) oder Band 9 der Neuen Fischer Weltgeschichte „Der Vordere Orient und Nordafrika ab 1500“ (2016) genannt. Krämers öffentliche Interventionen bereichern die Diskussionen in Deutschland, gerade weil sie auch Debatten ausgelöst und Kritik auf sich gezogen haben.

Krämer ist international hochangesehen. Ihre Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt; sie arbeitet an internationalen Projekten mit. Ein wichtiges Anliegen ist ihr seit ihrer Promotion die enge Zusammenarbeit sowohl mit arabischen als auch mit israelischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wie auch Institutionen.

In ihrem preisgekrönten Buch widmet Krämer sich der Biographie von Hasan al-Banna (1906-1949), Grundschullehrer für Arabisch und Gründer der ägyptischen Muslimbruderschaft, einem zentralen Vordenker und Aktivisten des Islamismus. Für al-Banna, so die Preisträgerin, befand sich Ägypten – konfrontiert mit Kolonialismus, christlicher Mission und Verwestlichung – kulturell, moralisch und politisch in der Krise. Diese Krise hoffte er mit Hilfe eines rundum erneuerten, „zeitgenössischen“ Islam zu überwinden, der sich sowohl aus der islamischen Tradition als auch aus zeitgenössischen Impulsen speiste und alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens durchdringen sollte. Der 1928 gegründete Wohltätigkeitsverein entwickelte sich zügig zu einer Massenorganisation von eigener, keineswegs unproblematischer Dynamik, die unter Berufung auf den Islam Politik machte. 1948 wurde sie verboten, 1949 wurde al-Banna im Zuge der Konfrontation mit dem ägyptischen Staat Opfer eines Anschlags.

Auf der Basis minutiöser Arbeit mit arabischen Quellen gelingt es Krämer in ausgewogener Weise, die Bedeutung der biographischen Erfahrungen al-Bannas für Ideologie und Organisation der Muslimbruderschaft herauszuarbeiten und überdies facettenreich die Alltags- und Sozialgeschichte der Region zu beleuchten. Damit trägt die Preisträgerin ganz wesentlich dazu bei, Entstehung und Entwicklung des Islamismus, einer der umstrittensten Bewegungen der Gegenwart, als historisches Phänomen differenziert zu beschreiben. Dies ist der Beitrag, den Geschichtswissenschaft im Kontext aktueller Konflikte und Diskussionen mit ihren Werken leisten kann. Dafür ist Gudrun Krämers Opus magnum ein herausragendes Beispiel.

Mit dem Preis des Historischen Kollegs wurden seit 1983 der Althistoriker Alfred Heuß, die Mediävisten Arno Borst und Johannes Fried, die Neuzeithistoriker Reinhart Koselleck, Thomas Nipperdey und Wolfgang Reinhard sowie der Ägyptologe und Kulturhistoriker Jan Assmann und der Wirtschafts- und Sozialhistoriker Michael Mitterauer ausgezeichnet. Zuletzt erhielten den Historikerpreis Gerhard A. Ritter (2007) und Christopher Clark (2010), Barbara Stollberg-Rilinger (2013), Karl Schlögel (2016), Ulinka Rublack (2019) und der Zeithistoriker Michael Wildt (2022).

Die Verleihung des Preises durch den Kuratoriumsvorsitzenden, Hartmut Leppin, den Bayerischen Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, Markus Blume, und den Präsidenten des Stifterverbandes, Michael Kaschke, findet am Montag, 10. November 2025, im Rahmen einer Festveranstaltung im Plenarsaal der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München statt.

Kontakt:

Dr. Karl-Ulrich Gelberg

Tel. 089/23031-1151

karl-ulrich.gelberg@historischeskolleg.de

Dokumentationen aller bisherigen Preisverleihungen können hier abgerufen werden.

Professor Dr. Gudrun Krämer