Professor Dr. Jörn Leonhard (© Foto: Hanspeter Trefzer)

Geschichts­wissenschaft ohne Quellen?


Für Geschichte als Wissenschaft wie als Studienfach ist der informierte Umgang mit Quellen elementar. Mit dem Verlust dieser Kompetenz würden die Fähigkeit zur fundierten Analyse und zur Quellenkritik verloren gehen. Dies wäre das Ende seriöser Geschichtswissenschaft. In der Grundlagenforschung müssen die Fertigkeiten, Quellen lege artis zu edieren, erhalten bleiben. Die zunehmende digitale Prä­sentation von Quellen durch wissenschaftliche Einrichtungen wie die Historische Kommission setzt gerade voraus, dass die Zeugnisse der Vergangenheit mit derselben Expertise und den selben hohen Qualitätsmaßstäben hinsichtlich Erschließung und Kommentierung zur Verfügung gestellt werden, wie dies in gedruckter Form seit der Mitte des 19. Jahrhunderts der Fall ist. Doch die Rahmenbedingungen dafür werden immer schwieriger. Angesichts der neuen gesellschaftlichen Debatte über die Spielregeln einer „Post­fact World“ und die Zuverlässigkeit digita­ler Informationen ist selbstkritisch nach dem Stellenwert von Quellenarbeit in der aktuellen Disposition unseres Fachs zu fragen.

Auf dem Podium:

Jörn Leonhard: Professor für Westeuropäische Geschichte an der Universität Freiburg im Breisgau und im Kollegjahr 2016/2017 Forschungsstipendiat des Historischen Kollegs. Er arbeitet an einem Buch mit dem Titel „Der überforderte Frieden. Eine Weltgeschichte 1918 – 1923“.

Eva Schlotheuber: Professorin für Mittelalterliche Geschichte an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Vorsitzende des Verbandes der Historiker und Historikerinnen Deutschlands und Co-Autorin eines 2015 veröffentlichten Diskussionsbeitrags im Periodikum des Historikerverbandes mit dem Titel „Quellenkritik im digitalen Zeitalter“.

Reinhard Stauber: Professor für Neuere und Österreichische Geschichte an der Universität Klagenfurt, ordentliches Mitglied der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und verantwortlicher Leiter der Quellenedition „Die Protokolle des Bayerischen Staatsrats 1799–1817“.

Johan Schloemann (Moderation): Redakteur im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung.